07.12.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
US-Liste: Was Washington wichtig ist
Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat eine von US-Diplomaten
erstellte Liste wichtiger Infrastruktureinrichtungen
veröffentlicht. Attentate auf die verzeichneten Objekte
würden die Sicherheit der USA »in besonderem
Maße« gefährden, heißt es in einem
Diplomatenbericht. Die Liste enthält etwa
Kommunikationseinrichtungen, Unterwasserkabel, Mineralreserven und
strategisch wichtige Unternehmen. Zu den 19 verzeichneten deutschen
Einrichtungen zählen zum Beispiel das Stammwerk von BASF in
Ludwigshafen und die Anlagen von Siemens in Erlangen, die den
US-Depeschen zufolge eine »unersetzliche Produktion von
Schlüsselerzeugnissen der Chemieindustrie«
sicherstellen. Siemens halten die USA auch wegen der Herstellung
von Hochspannungstransformatoren für wichtig, die für das
Funktionieren von Stromleitungsnetzen unverzichtbar sind.
Auf der US-Liste finden sich zudem Pharmahersteller, deren Produkte
bei einem Angriff etwa mit Biowaffen benötigt würden.
Verzeichnet ist etwa das Unternehmen Hameln Pharma, das
Diethylentriaminpentaacetat (DPTA) herstellt. Der Stoff wird gegen
radioaktive Vergiftung eingesetzt. Mit dabei ist auch die Biotech-
und Pharmafirma IDT Biologica aus Dessau-Roßlau
(Sachsen-Anhalt), die einen Impfstoff gegen Pockenviren produziert
– einen biologischen Kampfstoff.
Als sicherheitsrelevante deutsche Anlage stufen die US-Diplomaten
zudem die Anlandepunkte für Untersee-Glasfaserkabel auf der
Insel Sylt und nahe Norden in Niedersachsen ein. Dort enden
wichtige unterseeische Datenverbindungen, über die Teile des
Telefon- und Internetverkehrs zwischen den USA und Europa
abgewickelt werden. Ohne die Glasfaser würde die
transatlantische Kommunikation teilweise lahmgelegt werden.
US-Diplomaten weltweit hatten die Liste offenbar in Reaktion auf
eine Anweisung des US-Außenministeriums vom Februar 2009
erstellt. Darin werden die US-Botschaften aufgefordert, Orte oder
Infrastrukturen zu benennen, »deren Verlust entscheidende
Folgen für die öffentliche Gesundheit, die
wirtschaftliche Sicherheit und/oder die nationale und innere
Sicherheit der USA bedeuten würde«.
In Depeschen aus London wird vor allem der britische
Rüstungskonzern BAE Systems genannt. Als strategisch wichtig
werden in Frankreich eine Reihe von Pharmaunternehmen wie etwa
Sanofi-Aventis, EMD Pharms und Genzyme Polyclonal eingestuft. Die
neue Veröffentlichung stelle einen »Schaden für die
nationale Sicherheit der USA, Großbritanniens und anderer
Länder« dar, erklärte ein Sprecher des britischen
Premierministers David Cameron in London. (AFP/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/155505.us-liste-was-washington-wichtig-ist.html