26.11.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Hintergrund: 30 Tage für neue Regierung
Der bisherige irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki
(Foto) hat von Staatspräsident Dschalal Talabani den Auftrag
bekommen, eine neue Regierung zu bilden – acht Monate nach
der Parlamentswahl. Das staatliche Fernsehen übertrug am
Donnerstag live die Zeremonie, in der Staatschef Dschalal
Al-Talabani Maliki anwies, sein Kabinett zusammenzustellen. Der
Regierungschef hat dafür nun 30 Tage Zeit.
Der Fernsehsender Al-Irakija zeigte Maliki bei einer Ansprache,
nachdem Talabani ihm den schriftlichen Auftrag zur
Regierungsbildung überreicht hatte. Der Staatschef forderte
Maliki auf, eine »partnerschaftliche Regierung« zu
bilden und »keine Fraktion« auszuschließen. Der
seit 2006 amtierende Ministerpräsident bat die verschiedenen
Parteien, ihm Vorschläge für die Besetzung der
Ministerposten zu unterbreiten. Die Kandidaten müßten
»integer, erfahren und loyal« sein, sagte Maliki nach
Angaben eines Beraters.
Der 60jährige Maliki wandte sich auch an die irakische
Bevölkerung. Den Angaben zufolge versprach er, daß sich
seine Regierung dem Wiederaufbau des Landes widmen werde. Die
Iraker rief der schiitische Politiker auf, mit den
Sicherheitskräften im Kampf gegen die Aufständischen
zusammenzuarbeiten.
Die Parlamentswahl Anfang März hatte keinem politischen Lager
eine ausreichende Mehrheit verschafft. Malikis Schiiten-Allianz
hatte daher lang mit dem von Sunniten unterstützten
Irakija-Bündnis von Exministerpräsident Ijad Allawi
gestritten, wer künftig die Regierung führen solle. Vor
drei Wochen einigten sie sich schließlich auf eine
Machtteilung. Der Kompromiß sieht vor, daß Maliki
weiter die Regierung führt und der Kurde Talabani
Präsident bleibt. Das Irakija-Bündnis, das als
stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervorgegangen war,
erhielt den Posten des Parlamentspräsidenten, der mit dem
Sunniten Ussama Al-Nudschaifi besetzt wurde. Außerdem soll
Irakija-Chef Allawi über einen neugeschaffenen Nationalen Rat
für Strategische Politik an der Regierungsarbeit
mitwirken.
Maliki war nach der US-geführten Invasion im Frühjahr
2003 und dem Sturz Saddam Husseins in den Irak gekommen. Er
saß anschließend im Übergangsparlament und
gehörte einer Kommission zur Entfernung der Mitglieder der
Baath-Partei aus dem Staatsapparat an. Nach dem Sieg seiner
sogenannten Rechtstaatsallianz bei den Parlamentswahlen 2006
führte er die erste gewählte Regierung unter Besatzung
an. (AFP/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/154929.hintergrund-30-tage-für-neue-regierung.html