24.07.2010 / Schwerpunkt / Seite 3
Danksagung von Mumia Abu-Jamal
An meine Freundinnen und Freunde des Bündnisses für
Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde in Berlin.
Ich danke euch für die bewegende Verleihung des »Preises
für Solidarität und Menschenwürde« heute, am
4. Juli 2010! Danke!
Wenn diese »Medaille« eine Kehrseite hat, dann die,
daß ausgerechnet das Land, das am lautesten und längsten
über die Menschenrechte redet, sie am wenigsten praktiziert.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind das Gefangenenhaus der
Nationen. Hier werden mehr Menschen eingesperrt und zu
längeren Haftstrafen verurteilt als in jedem anderen Land
dieser Welt. Die USA übertreffen damit sowohl prozentual als
auch in nackten Zahlen jedes Land Europas, sie übertreffen
sogar die Statistiken Rußlands und die Gefangenenzahlen
Südafrikas vor und nach dem Ende des Apartheidsystems.
Akut ist von dieser Problematik vor allem die schwarze
Bevölkerung der USA betroffen. Für Schwarze ist es zu
einer normalen Alltagserfahrung geworden, zu irgendeiner Zeit ins
Gefängnis geworfen zu werden, quasi als eine Art von negativem
Initiationsritus.
Gerade heute, am amerikanischen Unabhängigkeitstag 4. Juli,
dürfen wir nicht vergessen, daß die Nation, die sich die
Worte »Unabhängigkeit« und »Freiheit«
in ihre Gründungsdokumente schrieb, just an dem Tag, als diese
Dokumente unterzeichnet und gegenüber der Welt kundgetan
wurden, Millionen von Menschen – exakt ein Viertel der
Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika – unter
den erniedrigenden Lebensbedingungen der Sklaverei in Unfreiheit
hielt. Ich schreibe diese Worte deshalb heute auch im Namen der
Millionen in den Gefängnissen und der Tausenden in den
Todestrakten und schreibe sie vor allem in der Hoffnung, daß
die Menschenrechte in Zukunft mehr sein werden als nur Worte.
(…)
Übersetzung: Jürgen Heiser
https://www.jungewelt.de/artikel/148082.danksagung-von-mumia-abu-jamal.html