27.03.2010 / Aktion / Seite 16
Unsere Sicht
Für eigenen Standpunkt brauchen wir Tageszeitung, Buch und Film
Dietmar Koschmieder
Am Stand der jungen Welt auf der Leipziger Buchmesse wurde es
eindeutig zu eng. Das liegt daran, daß wir immer mehr zu
bieten haben: Zunächst die junge Welt selbst als Printausgabe
mit aktueller Literaturbeilage und einem Querschnitt verschiedener
Themenbeilagen. Dann die Online-Ausgabe, mit der wir täglich
mehr Leserinnen und Leser erreichen als mit der gedruckten. Zur
Buchmesse haben wir den »Blende«-Kalender für 2011
fertiggestellt und die Broschüre zur diesjährigen
Rosa-Luxemburg-Konferenz. Etliche tausend Zeitungen wurden
verteilt, etliche hundert Probeabonnements bestellt. Daneben
präsentierten wir die neu überarbeitete Ausgabe der
Musikzeitschrift melodie&rhythmus: Die Entscheidung, sie nicht
einzustellen, sondern spannender zu machen, wurde belohnt –
das aktuelle Heft fand reißenden Absatz im Einzelhandel, aber
auch auf der Messe.
Eine echte Premiere hingegen war die Vorstellung der Bibliothek des
Widerstands. Pünktlich zur Buchmesse sind die ersten drei
Ausgaben erschienen. Auch wir von der jungen Welt konnten die
hochwertigen Bücher mit DVD erstmals in Leipzig in die Hand
nehmen. Karl-Heinz Dellwo vom LAIKA-Verlag hat sie mitgebracht
– und uns befielen gleich leichte Zweifel, ob wir diese
aufwendig gestalteten Mediabücher nicht zu billig abgeben.
Aber es war eine politische Entscheidung, Buch und DVD für
19,90 Euro (bei zwei Filmen für 24,90, bei drei Filmen
für 29,90 Euro) zu verkaufen. Einerseits sollen sich
möglichst viele diese Bibliothek leisten können. Wir
wollen mit ihr die vielfältigen Formen von Widerstand und
Protest in Erinnerung bringen und in vielen Fällen
überhaupt erst verfügbar machen. Eine Aufgabe, die uns
bürgerliche Medien nicht abnehmen werden. Andererseits
können wir die auf 100 Bände angelegte Bibliothek nur
realisieren, wenn wir ausreichend Bücher verkaufen. Bisher
wurden vom LAIKA-Verlag über 200000 Euro investiert. Das
Projekt wird aber letztlich über den Verkauf der Bücher
finanziert. Deshalb sind Abonnements so wichtig. Für die
Startphase brauchen wir 500 davon. Abonnenten erhalten jede Ausgabe
für 19,90 Euro (plus Versandkosten). Und wir haben damit eine
verläßliche Anfangsgröße, mit der wir die
weitere Produktion und Bewerbung der Bibliothek vorantreiben
können. In Leipzig konnten wir das erste Abonnement
ausliefern. Karl-Heinz Dellwo überreichte Jürgen Zeiher
aus Schopfheim die ersten drei Bände der Bibliothek. Wie aus
der Bibliothek eine ganze Bewegung initiiert werden könnte,
schilderte Jürgen Zeiher am jW-Stand: Er wird jeden Monat
Freunde zur Vorführung und Diskussion des aktuellen Films in
sein Wohnzimmer einladen. Er ist mit dieser Idee nicht allein.
Jugendgruppen und Kommunikationszentren werden sich die Bibliothek
gemeinsam anschaffen. Das erleichtert die Finanzierung und regt den
Austausch an. Aber auch auf privater Ebene haben sich
Kaufgemeinschaften gebildet. Und daß die Bibliothek des
Widerstands zur Diskussion animiert, haben wir in diesen Tagen in
Leipzig, Gera, Frankfurt am Main und Berlin erlebt.
Kostas Kolimenos, der Regisseur des Films »Schrei im
Dezember«, der mit recht eigenwilligen Mitteln die Proteste
in Griechenland im Dezember 2008 beschreibt und kommentiert,
stellte sich der Diskussion. Darf Kunst einseitig und agitatorisch
sein? Muß ein Dokumentarfilm alle Hintergründe
aufzeigen? Worin unterscheidet sich unsere Kultur und damit auch
unsere Filmsprache von der der Herrschenden? Und: Dokumentation und
Analyse, unsere Kämpfe, unsere Siege wie die Niederlagen
müssen wir uns selbst und mit eigenen Mitteln erarbeiten und
möglichst vielen verfügbar machen.
Wir möchten Sie einladen, uns dabei zu unterstützen.
Empfehlen Sie die »Bibliothek des Widerstands« weiter
und abonnieren Sie – egal ob allein oder im Kollektiv. Die
Dokumentation und Aufarbeitung unserer Geschichte dürfen wir
nicht den Herrschenden überlassen. Ihre Interessen und ihre
Sichtweisen sind andere als unsere.
https://www.jungewelt.de/artikel/141922.unsere-sicht.html