16.11.2009 / Schwerpunkt / Seite 3
Ratschlag: Brav sein hilft nicht
Mit brav sein und abwarten kommt man als Selbstständiger mit
Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen nicht weit. Der Sozialrechtler und
Vorsitzende des Vereins Soziale Hilfe in Wiesbaden Albrecht
Brühl rät, nicht alles hinzunehmen und sich bei der
Agentur für Arbeit kundig zur Wehr zu setzen. Wenn die
Behörde nach Ermessensspielraum entscheidet, sei es wichtig,
überzeugend zu argumentieren.
Maßgebliche Hartz-Regelungen für Selbständige sind
laut Brühl: Leistungen zur Eingliederung sollen nur
gewährt werden, wenn zu erwarten ist, daß die
Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist und die
Hilfsbedürftigkeit dauerhaft überwunden werden kann. Zur
Beurteilung soll die Agentur für Arbeit die Stellungnahme
einer fachkundigen Stelle beantragen. Zuschüsse dürfen
einen Betrag von 5000 Euro nicht übersteigen, heißt es
in Paragraph 16c der Hartz-Gesetze. Wird ein Fahrzeug zu mehr als
50 Prozent betrieblich genutzt, sind »tatsächlich
notwendige« Investitionen als betriebliche Ausgaben
abzusetzen. Die beim Finanzamt abzusetzende Reisekosten-Pauschale
beträgt 30 Cent pro Kilometer, bei Hartz IV nur 20 Cent:
»Die Pauschale ist nicht kostendeckend«, kritisiert
Brühl die besondere Härte gegenüber den ärmeren
Selbständigen.
Selbständige, die ihre Ausgaben nicht einzeln auflisten
wollen, können einen Pauschalsatz von 100 Euro geltend machen.
Ab mehr als 400 Euro Einkommen und wenn die Summe der Ausgaben 100
Euro übersteigt, wird empfohlen, Einzelnachweise zu bringen.
Häufig werde die 100-Euro-Pauschale nicht gezahlt. Wird sie
rechtswidrig vorenthalten, ist nach Paragraph 44, Sozialgesetzbuch
X, noch bis zu fünf Jahren im nachhinein rückwirkend eine
Korrektur möglich. Allerdings müssen fehlerhafte
Ablehnungen von Anträgen schriftlich vorliegen.
Eine der besonderen Gemeinheiten gegenüber Hartz-IV-Beziehern
ist, daß sich freiberufliche Künstler nicht auf die im
Grundgesetzartikel5 garantierte Freiheit der Kunst beziehen
können. Eine Subventionierung nach Hartz IV sei dadurch nicht
gedeckt. Brühl verweist dazu auf ein Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs in Bayern: Ein Kunstmaler, der neben seiner
künstlerischen Tätigkeit soziale Leistungen bezieht,
müsse einen Ein-Euro-Job annehmen, falls er seinen
Lebensunterhalt absehbar mit seiner Kunst nicht bestreiten kann.
(düp)
https://www.jungewelt.de/artikel/134707.ratschlag-brav-sein-hilft-nicht.html