30.10.2009 / Aktion / Seite 16
Fremde Federn
Gewerkschaften in den Medien
Die Massenarbeitslosigkeit hat im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und
FDP keinen eigenen Abschnitt erhalten, das Wort
»Gewerkschaften« kommt nicht vor. Eine der wenigen
klaren Aussagen lautet: Ein gesetzlicher Mindestlohn wird
abgelehnt, bestehende Regelungen zu Mindestlöhnen in einzelnen
Branchen sollen »überprüft« werden.
Das Papier liefert ein Muster dafür, wie der Komplex aus
Medien und Politik in der Bundesrepublik mit dem Thema
»Gewerkschaften« umgeht. Solange es geht, wird so
getan, als gäbe es die größten Organisationen der
Lohnabhängigen nicht, kommen sie in den Medien nicht vor.
Melden sie sich zu Wort, gerät das auf die hinteren Seiten der
Zeitungen. Rufen sie zum Streik auf, beginnt die Unisono-Presse
eine Hetzkampagne. Motto: Die Gewerkschaften zerstören die
deutsche Wettbewerbsfähigkeit, und überhaupt gibt es sie
nur wegen zu viel Sozialneid.
Die junge Welt entwirft konsequent ein Gegenbild von dem, was in
dieser Gesellschaft wichtig ist und was nicht. Für wichtig
halten wir z. B. alles, was sich um Arbeit oder Arbeitslosigkeit,
also um die Existenzbasis der übergroßen Mehrheit in
diesem Land dreht. Wenn daher der IG-Metall-Vorsitzende Berthold
Huber für die Tarifrunde 2010 eine zurückhaltende
Lohnpolitik ankündigt, der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske
aber eine andere Haltung erkennen läßt, dann findet das
in jW seinen gebührenden Platz in Kommentaren und
größeren Artikeln. Andere berichten
selbstverständlich auch über solch unterschiedliche
Strategien, liefern aber auch die Munition, mit der im Konfliktfall
gekämpft werden soll. So vermeldete das Handelsblatt nach der
Bsirske-Äußerung: »Staatsdiener profitieren in der
Krise«. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
profitierten als Konsumenten nicht nur von der niedrigen Inflation,
sie hätten nämlich anders als
»Industriearbeitnehmer (...) auch kaum mit
Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit zu tun«. So rasch
solidarisieren sich die Zentralorgane des deutschen
Großkapitals mit einigen »Arbeitnehmern«, wenn
die keine übermäßigen Ansprüche stellen. Wobei
jeder Anspruch ein übermäßiger ist, es sei denn, es
handele sich um einen »Bonus« für Pleite-Bankster.
Das Signal für die bevorstehenden Tarifverhandlungen ist
gegeben: spalten. Wir sind für solidarisieren.
Verlag und Redaktion
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