09.05.2009 / Schwerpunkt / Seite 3
Afghanistan-Krieg. Gerüchte und Gefechte
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll bei ihrem Truppenbesuch in
Afghanistan Anfang vergangenen Monats nur knapp einem gezielten
Anschlag der Taliban entgangen sein. Wie Bild (Online) am Freitag
unter Berufung auf das »Gemeinsame Internetzentrum«
(GIZ) der deutschen Sicherheitsbehörden berichtete, behauptet
der Militärverantwortliche der Taliban für die Provinz
Kundus, Mullah Barijalai, in einem Interview mit dem
arabischsprachigen Online-Magazin der Taliban, Al Somood, es habe
eine kalkulierte Aktion gegen Merkel während ihres streng
geheimen Besuchs am 6. April gegeben.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte am Freitag in Berlin, die
Bundesregierung könne den Bericht nicht bestätigen. Ein
Sprecher des Verteidigungsministeriums verwies darauf, daß
Aufständische in Afghanistan mit Desinformationskampagnen
stets versuchten, die Öffentlichkeit in die Irre zu
führen.
Nach Angaben von Bild erklärt Barijalai, eigene
»nachrichtendienstliche Informationen« über den
Aufenthalt der Kanzlerin erhalten zu haben. Laut Bild
schließen Sicherheitskreise ein Loch bei der Bundeswehr in
Kundus nicht aus. Das Blatt zitiert einen »Experten«
mit den Worten: »Möglicherweise gibt es im deutschen
Camp einen Taliban-Spion!« 20 Minuten nach dem
überraschenden Besuch Merkels war das Bundeswehrlager in der
nordafghanischen Stadt mit Raketen beschossen worden. Verletzte gab
es nicht. Bereits kurz darauf hatte ein Taliban-Sprecher
erklärt, eigentliches Ziel sei »das Flugzeug mit Merkel
an Bord« gewesen.
Das Camp war in den vergangenen Monaten immer wieder Ziel von
Raketenangriffen. Zuletzt wurden in der Nähe des Lagers
deutsche Soldaten am Donnerstag in ein Feuergefecht verwickelt.
Eine Patrouille der Bundeswehr wurde nach Angaben des
Verteidigungsministeriums mit Handfeuer- und Panzerabwehrwaffen
beschossen. Ein Ministeriumssprecher sprach am Freitag von einem
»mehrstündigen Gefecht«. 29 Soldaten in drei
Dingo-Transportfahrzeugen und zwei Fuchs-Transportpanzern mit Hand-
und Panzerabwehrwaffen seien beschossen worden. Die Soldaten
hätten zurückgeschossen, die Angreifer verfolgt und
afghanische Sicherheitskräfte zur Verstärkung
angefordert. Diese hätten bei heftigen Feuergefechten
vermutlich vier Angreifer getötet, teilte das Ministerium mit.
Vier Aufständische und ein afghanischer Polizist wurden
demnach verletzt sowie vier Angreifer verhaftet. Der Sprecher
wollte in dem Zusammenhang nicht von »Krieg« reden. Es
sei ein »Stabilisierungseinsatz« in einem
souveränen Land.
(AFP/ddp/jW)
https://www.jungewelt.de/artikel/124816.afghanistan-krieg-gerüchte-und-gefechte.html