22.02.2008 / Feuilleton / Seite 13

Verstromung des kleinen Nietzsche

Im sachsen-anhaltinischen Röcken (180 Einwohner) stehen Geburtshaus und Grab von Friedrich Nietzsche (1844–1900). Beides muß möglicherweise zusammen mit der Dorfschule, die Nietzsche besucht hat, und der Kirche, in der er getauft wurde, einem Tagebau weichen. Dem Philosophen hätte das vielleicht gefallen. Zur Zeit führt die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (Mibrag), Erkundungsbohrungen durch. Mit Ergebnissen ist noch 2008 zu rechnen. Der Konzern wird der Politik aller Voraussicht nach Tagebauvarianten antragen. Wenig begeistert ist davon Joachim Salomon, der 15. Nachfolger von Nietzsches Vater als Pfarrer mit einer Dienstwohnung in Friedrichs Geburtshaus. Von denen, die Röcken als Wallfahrtsort besuchen, hätten die wenigsten Verständnis dafür, »daß erwogen wird, Kultur und Geschichte zu verstromen – noch dazu mit Braunkohle«. (ddp/jW)
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