Leserbrief zum Artikel Politik ohne Ökonomie
vom 14.10.2016:
Unverdienter Arendt-Verriss
Was auf der Thema-Doppelseite anlässlich von Hannah Arendts 110. Geburtstag erschien, hat mir die Sprache verschlagen. »Handeln und Sein« der Philosophin würden »den ganz aktuell vom Establishment erwünschten Zustand von Liberalismus und Demokratie verkörpern«. Wirklich? Georg Fülberth hat im März 2014 in einer Gastkolumne in der UZ auf die Aktualität von Arendt hingewiesen: »Die politische Philosophin Hannah Arendt charakterisierte den Faschismus als ein Bündnis von Mob und Eliten. Letztere kann man etwas exakter fassen: Großkapital, in einigen Ländern auch Großgrundbesitz, Maulwürfe im Staatsapparat. Das, was Arendt als Mob bezeichnet, sind die Teile der Mittel- und Unterschichten, deren Ressentiments sich gegen Fremde richten. Ausländerfeindlichkeit ist der Treibsatz ihres Handelns. ›Mob‹ und ›Elite‹ agieren häufig getrennt, erst in historischen Entscheidungssituationen schließen sie sich zusammen, so in Deutschland 1933. Vorher handelten sie eher parallel.« Soweit Georg Fülberth. Es hätte zum 110. der Philosophin einer differenzierteren Darstellung von Stärken und Schwächen ihrer Positionen bedurft.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 27.10.2016.