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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Schrecken in Grenzen gehalten vom 13.08.2015:

Wirtschaftliche und moralische Folgen

Neben zahlreichen Nachteilen der "Mauer", die immer wieder hinreichend in den Medien thematisiert werden, wird über die faktischen Folgen der offenen Grenze kaum berichtet. Der in der DDR verwendete Begriff " Schutzwall" besitzt tatsächlich eine gewisse Berechtigung. Zu DDR- Zeiten habe ich in Archiven und durch Befragungen zu den Folgen recherchiert. Einige Fakten sollen den Artikel ergänzen und das Bild der " Mauer" objektivieren.
Zur Zeit der offenen Grenze arbeiteten in den grenznahen Regionen ( z.B. Falkensee ) Teile der Bevölkerung in Westberlin. Eine Reinigungskraft beispielsweise erhielt die Hälfte ihres Lohnes, nämlich 100 DM, in der in Westberlin üblichen Währung, die andere Hälfte in DDR-Mark. Nicht selten wurde ein Teil des Westgeldes in Ostgeld umgetauscht. Bei einem Umtauschkurs z.B. von 1 zu 4 verdiente sie weitaus mehr als eine Reinigungskraft in der DDR. Hinzu kam, dass das in die DDR gebrachte Geld nicht gedeckt war. Während sie in Westberlin ihre Arbeitskraft verkaufte, nahm sie aber alle sozialen Leistungen der DDR in Anspruch.
Ich habe selber erlebt, wie Bauern Eier, Wurst und andere Lebensmittel mit der S- Bahn nach Westberlin schmuggelten, um sie auf den dortigen Wochenmärkten zu verkaufen, während es in der DDR die bekannten Engpässe gab.
Natürlich konnten auch Fachkräfte leichter abgeworben werden, die auf Kosten der DDR studiert hatten.
Schließlich drohten Arbeitskräfte nicht selten damit nach Westberlin arbeiten zu gehen, wenn ihre Arbeitsmoral kritisiert wurde oder bestimmte Forderungen durchgesetzt werden sollten.
Welche unglaublichen ökonomische Folgen das für das DDR-System hatte, kann sich jeder ausmalen.
Diese Seite des " Mauerbaus" wird kaum dargestellt, weil sie nicht ins offizielle Meinungsbild des Staates passt. Wer sie vertritt, wird als inhumaner, nostalgischer Betonkopf diffamiert.
Das heißt natürlich nicht, dass man die negativen Folgen gut heißt, aber es geht darum endlich ein objektiveres Bild der DDR zu erreichen.
Kurt Weber