Leserbrief zum Artikel Nein!
vom 06.07.2015:
Scheibe abschneiden
"Demokratie - jetzt oder nie!" war bei den machtvollen Leipziger Montagsdemonstrationen unseres Herbstes 1989 eine der besten Parolen und der donnerndste Sprechchor in meinem Leben. Aber was kam, nachdem Kohl/Schäuble die Ex-DDR ihrem Bonner Staat angeschlossen hatten? Kategorische Entmündigung und Bevormundung der Bürger, unverfrorene Ignoranz des unabdingbaren Artikels 20 GG, in dem es unmissverständlich heißt, dass auch "Abstimmungen" eine selbstverständliche Form der demokratischen Ausübung des souveränen Anspruchs der Bürger sind, dass alle Staatsgewalt vom Volke auszugehen hat. Wie der Teufel das Weihwasser scheut die GroKo, den mündigen Bürgern irgendeine maßgebende ABSTIMMUNG zuzugestehen. Bei Bundestagswahlen ein oder zwei anonyme Kreuzchen machen, das soll alles an Bürgereinflussnahme auf das politische Geschehen sein. Das erinnert peinlich an Zustände, die Rosa Luxemburg einst als "Diktatur im bürgerlichen Sinne" scharf geißelte. Das machtvolle "Oxi" der griechischen demokratischen Öffentlichkeit zum Unterwerfungsdiktat aus Brüssel zeigt, dass man dort den Grundgedanken der Demokratie als Mitredendürfen der Bürger über ihre ureigensten gesellschaftlichen Angelegenheiten noch nicht verlernt hat. Davon könnte die BRD sich eine dicke Scheibe abschneiden. Vielleicht schaffen wir es ja eines Tages, den Griechen nachzueifern. Dann wäre das "nie" der eingangs erwähnten Alternative endlich vom Tisch.