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Aus: Ausgabe vom 21.07.2006, Seite 13 / Feuilleton

Die BRD hat ihre Nazis wieder lieb. Ab heute in Schwerin: Arno Breker

Das erste Mal seit 1945 ist auf doitschem Boden wieder saubere Führer-Kunscht ausgestellt. Im Schweriner Schleswig-Holstein-Haus, einer städtischen Einrichtung, sind ab heute 70 Stück Arno Breker (1900–1991) zu sehen. Keinen fand der Gröfaz so anti-entartet wie diesen Bildhauer der Volkshygiene. Für 27 Millionen Reichsmark hat Breker Herrenrasse-Pomp gefertigt. Sein kunsthistorischer Beitrag: Er löste den Gelsenkirchener Barock, der seine zweite Blütezeit mit dem Aufkommen klobiger Schrankwände im Westdeutschland der 50er hatte, schon damals ins brutal Figürliche auf.
Die Idee, das am durchschlagskräftigen Werk in all seiner Dürftigkeit nachvollziehbar zu machen, ist auf dem Mist von Rudolf Conrades gewachsen. Der Leiter des Schleswig-Holstein-Hauses hätte die Schau gern schon 2005 groß aufgezogen, »aber das war dann der falsche Zeitpunkt wegen des 60. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs«. Daß er die Zeit nun für reif befand, hat viel zu tun mit populären Kinonazis (»Der Untergang«, »Napola«). Conrad: »Wenn es keine Gefährdung der Jugend ist, daß man Hitler im Film in seinem Führerbunker zeigt oder Fliegerasse der Luftwaffe im Kampf, dann kann es erst recht keine sein, einen Bildhauer zu präsentieren. Diese Kunst gehört doch irgendwie zum Alltag.«
Der Clou an der Sache: Die Stadt und das Land Mecklenburg-Vorpommern lassen sich diese triumphale Rückkehr der Naziästhetik in den bundesdeutschen Alltag 55 000 Euro kosten. Im Landtag ist die Linkspartei dabei zwar in der Regierungsverantwortung, an der kulturpolitischen Sprecherin Karin Schmidt aber ist die Förderung vorbeigegangen. »Das ist eine Entscheidung des Ministeriums – der Landtag wurde nicht einbezogen«, erklärte sie gegenüber jW.
Seit sie aus dem Urlaub zurück ist, versucht Schmidt herauszubekommen, wie viele Euros das Land warum für die Breker-Schau ausgibt. Die Anfrage ist noch unbeantwortet. Im übrigen halte sie es mit den 34 Künstlern, Galeristen und Kunsthistorikern aus der Gegend, die in einer gemeinsamen Erklärung die Absage der Ausstellung gefordert haben.
Noch schwerer ist es für die Linkspartei-Fraktion in der Stadtvertretung, unter ihrer Verantwortung durchzutauchen. Sie hat die Schau zweifelsfrei durchgewinkt. »Es gab keinen Aufschrei dagegen«, bestätigt der Stadtverordnete und Kreisvorsitzende Peter Brill auf jW-Anfrage. »Es gab in der Fraktion auch keine Mehrheit dagegen – Conrad ist bekannt für solche Aktionen, keine großen, besondere– insofern hat das nicht für Verwunderung gesorgt«.

Brill selbst ist auch nicht gegen die Ausstellung, unterstützt »sie zwar auch nicht weiter«, aber: »Man wird nicht umhin kommen, sich mit der damals geschaffenen Kunst auseinanderzusetzen. Jedes Kunstwerk ist es wert, als solches gesehen zu werden.« Ob es sich tatsächlich um Kunst handelt, könne er nicht beurteilen. Es gebe Genossen, die vom Gegenteil überzeugt sind. Oha! Es existieren also noch waschechte Linke? Ja.
Julia-Kornelia Romanski, stellvertretende Kreisvorsitzende, ist für Aufarbeitung, aber gegen dieses »Sommerevent«. Schließlich habe sich Breker ab 1934 nicht mißbrauchen lassen, sondern um Aufträge vom Nazistaat gebettelt (was er bis 1981 völlig in Ordnung fand). Romanski gegenüber jW: »Die Skulpturen von Breker stellen Naziideologie dar; das sind Kampfmaschinen, diese Menschen – mit ästhetischem Anspruch hat das nichts zu tun, also auch nicht mit Kunst.« Wenn man bedenke, wie vehement sich die Deutsche Bahn gleichzeitig gegen eine Holocaust-Ausstellung wehre, »fragt man sich schon: Wo rudern wir hin?«
Freilich hat die Schau den Segen des Kulturstaatsministers. »Problematisch« sei Brekers Rolle ja schon gewesen, räumte Bernd Neumann ein, ihn deswegen zu unterschlagen, würde aber einer »Dämonisierung« Vorschub leisten. Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste, hat derweil aus Protest eine von ihm geplante Ausstellung in Schwerin abgesagt. Mal sehen, was noch so kommt ...
(ddp/jW)

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