19.04.2024 / Medien / Seite 14

»Ausverkauf des Journalismus«

Kahlschlag beim Kölner Stadt-Anzeiger: Magazinredaktion wird aufgelöst, Lektorat und Bildbearbeitung werden künftig von KI übernommen

Kristian Stemmler

Schon bei der Schließung der hauseigenen Druckerei im Herbst hatte die Kölner Verlagsgruppe DuMont bewiesen, dass sie das Schicksal der Mitarbeiter wenig interessiert. Mit ähnlicher Kaltschnäuzigkeit werden jetzt »Umstrukturierungen« beim Kölner Stadt-Anzeiger (Ksta) durchgesetzt. Vergangene Woche wurde der Redaktion mitgeteilt, dass die Inhalte für das Ressort »Ratgeber, Magazin, Freizeit« ab Juli von externen Dienstleistern zugeliefert und die manuelle Korrektur von Artikeln und Bildbearbeitung von künstlicher Intelligenz (KI) erledigt werden soll. Das berichtete der Branchendienst Meedia am Montag. Der daraus resultierende Personalabbau betrifft nach Angaben des Deutschen Journalistenverbands (DJV) in Nordrhein-Westfalen 13 Mitarbeiterinnen.

Das Aus der eigenen Magazinredaktion ist der zweite Paukenschlag beim Kölner Stadt-Anzeiger innerhalb weniger Wochen: Kurz vor Ostern hatte das Management bereits angekündigt, der Onlineredaktion die hauseigenen Vermarkter vor die Nase zu setzen, um den Digitalauftritt stärker nach kommerziellen als nach journalistischen Kriterien auszurichten. »Jetzt folgt das eiskalte Outsourcing des Magazinressorts«, kritisierte Stefan Lenz, stellvertretender Landesvorsitzender des DJV-NRW, in einer Mitteilung. Auf dem Weg, die Zukunft der Tageszeitung zu sichern, sei der Ksta »als Geisterfahrer in die falsche Richtung unterwegs«.

Der DJV-NRW kritisierte DuMont scharf und sprach von einem »schockierend stillosen Umgang« des Verlags mit seinen Redakteuren. Was die Geschäftsführung der Ksta Medien als »nötige redaktionelle Umstrukturierung« verkaufe, sei laut Lenz tatsächlich »der traurige schleichende Ausverkauf der redaktionellen Qualität einer der wichtigsten Tageszeitungen des Rheinlands«. Der Umgang mit den Redakteuren sei »kaltschnäuzig und respektlos«, so Lenz. Thomas Schultz-Homberg, CEO der Ksta Medien, habe die Mitarbeiter in einem kurzen Treffen über den Personalabbau informiert. Rückfragen der Beschäftigten habe er nicht zugelassen, Worte des Bedauerns nicht gefunden, so der DJV.

Auch der Betriebsrat verurteilte die Auflösung der Magazinredaktion. Das Ressort »Ratgeber, Magazin, Freizeit« habe »in vorbildlicher Weise digitale Unternehmensziele umgesetzt«, hieß es in einem Schreiben an die Belegschaft, aus dem Meedia zitierte. Die am besten gerankten Artikel stammten regelmäßig aus diesem Ressort, das »in Sachen Onlinekompetenz und Leserbeliebtheit einzigartig in der Geschichte des Kölner Stadt-Anzeigers« sei, so der Betriebsrat. Besonders bitter sei die Schließung des Ressorts auch deswegen, weil dort »ausschließlich Frauen arbeiten, 90 Prozent von ihnen auch in finanzieller Familienverantwortung«.

Auch die Entscheidung, auf Korrektorat und Bildbearbeitung zu verzichten, zeige, »wie wenig die journalistische Qualität der Zeitung die Geschäftsführung« noch interessiere, heißt es im Schreiben weiter. Die Wut der Redaktionen richte sich gegen ein Management, »dem außer Personalabbau nichts mehr einfällt«. Eine Redaktion, »die durch Personalabbau und Kompetenzentzug ausgehöhlt wird«, könne keinen unabhängigen, kritischen, »für die Stadtgesellschaft relevanten Qualitätsjournalismus« mehr liefern.

Mit drastischen Worten wandten sich Redakteure des Kölner Stadt-Anzeigers an die Verleger Isabella Neven DuMont und Christian DuMont Schütte sowie den Vorstand und die Geschäftsführung des Verlages. »Wir befürchten den Ausverkauf des Journalismus«, heißt es in dem Schreiben, das Meedia ebenfalls vorlag. Fassungslos mache sie der »De-facto-Rauswurf der gesamten Redaktion ›Ratgeber, Magazin, Freizeit‹« und die »noch nie erlebte menschliche Kälte, mit der diese Entscheidung mitgeteilt wurde – und das von einem Verlag, der sich als Familienunternehmen präsentiert«. Die Redaktion werde »systematisch kaputtgespart«. Die Entwicklungen ließen befürchten, »dass weitere De-facto-Rauswürfe folgen oder Kolleginnen und Kollegen dem Kölner Stadt-Anzeiger den Rücken kehren«.

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