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Aus: Ausgabe vom 17.05.2024, Seite 4 / Inland
Repression gegen Palästina-Bewegung

Reuls »rote Linie«

NRW-Innenminister verbietet Verein »Palästina Solidarität Duisburg«. Wohnräume durchsucht, Solidaritätskundgebung angekündigt.
Von Henning von Stoltzenberg
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Bewaffneter Kampf geht ihm zu weit: Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Landtag (Düsseldorf, 16.5.2024)

Inmitten bundesweiter Studierendenproteste gegen einen drohenden Genozid in Gaza hat Nordrhein-Westfalen einen palästinasolidarischen Verein verboten. Am Donnerstag gegen sechs Uhr drangen Polizeieinheiten in vier Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern des Vereins »Palästina Solidarität Duisburg« ein und durchsuchten die Räumlichkeiten mehrere Stunden lang. Der Verein wurde den Behörden zufolge nach Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Vereinsgesetz verboten und aufgelöst. Er soll sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet haben. Eine entsprechende Verbotsverfügung wurde den Betroffenen vor Ort ausgehändigt.

Nach Angaben des Innenministeriums waren 50 Beamte im Einsatz, um die vier verschiedenen Orte in der Stadtmitte und Duisburg-Walsum zu durchsuchen. Laptops, Handys, Bargeld in Höhe von rund 50 Euro wurden beschlagnahmt. Die Konten des Vereins wurden gesperrt und Internetauftritte verboten, ebenso wie sämtliche Kennzeichen und Symbole. Das Verbot erstreckt sich auch auf eventuell neu gegründete Organisationen, die den Verein ersetzen sollen, teilte Innenminister Herbert Reul (CDU) während einer Pressekonferenz mit. Dabei räumte er ein, dass die Initiative zum Verbot vom Landesamt für Verfassungsschutz ausging.

»In vielen Fällen verbirgt sich hinter der Solidarität mit Palästina nichts anderes als Judenhass«, behauptete der CDU-Politiker. Dies gelte auch für die nun verbotene Vereinigung. Der Staat habe »heute klare Kante gegen Extremismus gezeigt«, brüstete sich Reul und begründete das Verbot auch damit, dass »Palästina Solidarität Duisburg« sich »offen für jede Form des palästinensischen Widerstands« ausgesprochen habe, »auch für den bewaffneten Kampf der Terrororganisation Hamas gegen Israel«. »Israel soll es also nicht mehr geben. Das ist das Ziel«, schloss Reul daraus kurzerhand.

Mit dieser Begründung stellt sich der NRW-Innenminister unter anderem gegen wiederholte Beschlüsse der Vereinten Nationen. Diese haben beispielsweise in der UN-Resolution Nummer 37/43 vom 27. Januar 1983 das Recht aller Palästinenser auf Widerstand gegen den Staat Israel in seiner Rolle als Kolonial- und Besatzungsmacht bekräftigt – inklusive bewaffnetem Kampf. Des weiteren wirft das von Reul geleitete Innenministerium dem Verein pauschal vor, sich gegen »den Gedanken der Völkerverständigung« zu richten und antisemitische Narrative zu verwenden. Konkrete Belege lieferte das Ministerium dazu nicht.

Beobachter vermuteten eine Verbindung des Verbotsverfahrens zu einer Entscheidung vom 10. April, mit der das Duisburger Amtsgericht den Sprecher der »Palästina Solidarität«, Leon Wystrychowski, wegen des Vorwurfs der Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe verurteilt hatte. Er hatte auf einer Kundgebung die Slogans »Yallah Intifada« und »From the river to the sea – Palestine will be free« verwendet. Hierbei handelt es sich um ein erstinstanzliches Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist.

Während der Razzia sammelten sich draußen vor einem der durchsuchten Häuser einige Sympathisanten der nun verbotenen Vereinigung. Die langjährige Duisburger Aktivistin Sylvia Brennemann war eine von ihnen und beobachtete die Polizeiaktion. »Ich bin entsetzt über das massive Vorgehen des Innenministeriums. Jegliche Äußerungen gegen den laufenden Krieg in Gaza sollen ganz offensichtlich polizeilich unterbunden werden«, sagte sie gegenüber junge Welt. Das sei ein Angriff auf die politischen Grundrechte, »auf den politisch und juristisch reagiert werden sollte«, erklärte Brennemann.

Die linke Solidaritätsorganisation Rote Hilfe e. V. protestierte ebenfalls in einer Mitteilung vom Donnerstag. Der Staat benutze die palästinasolidarische Bewegung als »Experimentierfeld für alte und neue Maßnahmen«, heißt es darin. Grundrechte würden »unterhöhlt oder systematisch ausgehebelt« und demokratische Minimalstandards abgebaut.

Kundgebung: Fr., 17.5., ab 17 Uhr, König-Heinrich Platz, 47051 Duisburg

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  • Leserbrief von Kreutz (18. Mai 2024 um 07:41 Uhr)
    Ein interviewter Kripo-Beamter im WDR sagte zu diesem Fall, das Mitglieder dieser jetzt verbotenen Organisation, auf Lebenszeit ihr Demonstrationsrecht verwirkt hätten.

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